Der barocke Bau mit Krüppelwalmdach gehört zu einem stattlichen Anwesen. Auffallend ist die Eingangstür zum Hof, die gesondert in die Hofmauer eingebaut wurde und nicht, wie sonst üblich, in das große Hoftor integriert war. Neben dem schönen Fachwerk fällt vor allem die beschriftete Holztafel ins Auge: “Anno Johann Jacob Wercking/ Johanna Caroline Wercking/ 1746“.
Der Schreiner Johann Jacob Wercking hatte das Haus errichtet. Der mündlichen Überlieferung nach geriet er in finanzielle Schwierigkeiten, weil er eine Bürgschaft übernommen hatte. Das führte dazu, dass er mit seiner Familie nach Nordamerika auswanderte.
Im 19. Jahrhundert befand sich das Anwesen im Besitz der Familie Brandenburger. Margaretha Brandenburger heiratete 1837 den aus Bockenau stammenden Schmied Conrad Heimer. Da er auf dem gegenüberliegenden Grundstück eine Schmiede errichten wollte, kaufte er von seinen Schwiegereltern das Haus (Haus Wercking) mit dem gegenüberliegenden Garten. Die Schmiede wurde über mehrere Generationen von der Familie Heimer betrieben.
Auswanderung bedeutete für die Menschen stets die Hoffnung auf eine bessere Zukunft angesichts der schwierigen Lebensbedingungen in der „Heimat“. Schlechte Witterungsverhältnisse wie Kälte- und Regenzeiten, Unwetter oder Überschwemmungen führten zu schlechten Ernten und trieben die Menschen in Hunger und Armut. Die zahlreichen Kriege des 17. und 18. Jahrhunderts belasteten die Bevölkerung besonders. Unsere Region war stets Aufmarsch- und Durchzugsgebiet französischer Truppen. Auswanderung aus Glaubens- oder politischen Gründen spielten für Mandel eine geringe Rolle. Eine größere Auswanderungswelle folgte allerdings auf die Hungerjahre 1846/47, die durch Missernten hervorgerufen worden waren.
Im 19. Jahrhundert führten auch gezielte Anwerbung von Agenten, Veröffentlichungen von „Kolonisten“ wie dem Duchrother Johann Eimann oder Briefe von Auswanderern in die Heimat dazu, dass sich Menschen entschlossen, dem Naheland den Rücken zu kehren.
Günstig für die Auswanderung aus unserer Region war die Nähe zum Rhein. Vor dem Bau der Eisenbahn war das Reisen mit großen Beschwernissen und Gefahren verbunden. Die Auswanderer begaben sich zu Fuß oder auf einem Wagen von der Nahe zum Einschiffungshafen nach Bingen. Von dort fuhren sie auf dem Rhein bis zu den Überseehäfen in Le Havre und Antwerpen. Erst mit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 wurden auch die deutschen Häfen Hamburg oder Bremerhafen genutzt. Im 18. Jahrhundert mussten die Siedler der englischen Kolonien in Nordamerika einen Umweg über London in Kauf nehmen, weil sie zuerst englische Untertanen werden mussten.
Nordamerika war zu allen Zeiten das beliebteste Auswanderungsziel. Im 18. Jahrhundert wurde vor allem Pennsylvania wegen seiner Toleranz bevorzugt. Eine Besonderheit bildete seit 1741 die Gründung der preußischen Siedlungsorte auf der Gocher Heide. Als Folge des österreichischen Erbfolgekrieges, in den auch England und Spanien involviert waren, konnte 1741 eine Gruppe von Auswanderern nicht die Reise in die neue Welt antreten. Die Häfen in England waren gesperrt. Der preußische König nutzte die Gelegenheit und siedelte die Gestrandeten in der Gocher Heide an. Es entstanden die Dörfer Pfalzdorf, Luisendorf und Neu-Luisendorf. Auch die Mandeler Familie Hans gehörte zu diesen Siedlern.
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts lockten die Weiten des „Wilden Westens“ neue Auswanderer an. Die Stadt Belleville in Illinois spielte für die Mandeler Auswanderer eine besondere Rolle. Der Kohlebergbau und die spätere Anbindung an das Wirtschaftszentrum St. Louis durch die Eisenbahn machten diese Stadt besonders attraktiv. Denn die Auswanderung war stets mit Ungewissheit und Risiken verbunden. Nach einer gefahrvollen und kostspieligen Reise galt es die großen Schwierigkeiten der Anfangsjahre, wie die Urbarmachung von Land, zu überstehen. Belleville bot den Siedlern gute Erwerbsmöglichkeiten und vor allem ein soziales Netzwerk. Denn dort hatten sich viele deutsche Siedler zusammengefunden, sodass sie als „deutsche“ Stadt angesehen wurde. Sie besaß sogar eine deutsche Zeitung. Ab den 1830iger Jahre wanderten Philipp Brandenburger, Andreas Jung und Jacob Weber dorthin aus. Im lutherischen Kirchenbuch von Belleville sind auch die Mandeler Familiennamen Bärtges, Brück, Conrad, Eislöffel, Gräff, Kessel, Knoth, Opp, Reimann, Stroh, Threß und Totsch zu finden.
Im 18. Jahrhundert war auch Russland an einer Ansiedlung von deutschen Auswanderern interessiert. Vor allem die deutschstämmige Katharina die Große war darum bemüht. So siedelte sich Adam Jakob Hofmann aus Mandel mit seiner Ehefrau Maria Elisabetha Engelmann um 1800 in der Nähe von Warschau an, das zu dieser Zeit zu Russland gehörte. Laut mündlicher Überlieferung trieb ihn das Heimweh dazu, noch einmal seinen Heimatort Mandel zu besuchen.